Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen

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Landes- und Bundeswettbewerb Philosophischer Essay

Darf man Menschen zu ihrem Glück zwingen? Mit dieser Fragestellung hat sich unsere Schülerin Olivia Schrade aus der J2 ausführlich beschäftigt und damit am Landes-und Bundeswettbewerb philosophischer Essay teilgenommen. Der Wettbewerb fördert seit über 20 Jahren die intensive Auseinandersetzung mit traditionellen und aktuellen philosophischen Fragestellungen. Einen kleinen Auszug aus Olivias gelungenem Essay können Sie hier lesen.

Darf man Menschen zu ihrem Glück zwingen?
Das Erste, was mir auffällt, wenn ich diese Frage lese, ist der Gegensatz der Wörter „Glück“ und „zwingen“, die in dieser Frage in Verbindung stehen. Denn sind Glück und Zwang nicht schon ein Widerspruch in sich?
„Zwang“ ist ein sehr negativ konnotiertes Wort. Denn ein Zwang ist eine von außen auferlegte Einschränkung der Freiheit. Man verbindet damit eine Handlung, die man selbst eigentlich nicht ausführen will, und doch gezwungen ist, genau das zu tun, weil eine Autorität oder auch die Gesellschaft einem keine andere Wahl lassen, ohne dass man mit negativen Folgen rechnen muss.
Glück hingegen ist positiv konnotiert, es ist etwas Individuelles, etwas Freies. Ich empfinde beispielsweise Glück, wenn ich meine Handlungen selbst bestimmen und nach meinen Zielen und Bedürfnissen hin ausführen kann.
Im Folgenden ist also zu klären, wie und ob diese Begriffe überhaupt zusammen passen:
Ist es legitim, jemanden (gegen seinen Willen) zu seinem Glück zu zwingen, ihm also eine Handlung aufzuerlegen, die er eigentlich nicht ausführen möchte, von der ich jedoch der Meinung bin, dass sie zu einer Vermehrung seines Glücks beiträgt?
Und kann ein Mensch überhaupt glücklich sein, wenn er zu seinem Glück gezwungen wurde?
Dazu muss zuerst einmal die Bedeutung des Begriffs „Glück“ geklärt werden. Schaut man im Duden nach, so steht dort: Glück, das
Bedeutung (3)
1. „etwas, was Ergebnis des Zusammentreffens besonders günstiger Umstände ist; besonders günstiger Zufall, günstige Fügung des Schicksals“
2. „das personifiziert gedachte Glück; Fortuna“
3. a) „angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in den Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat; Zustand der inneren Befriedigung und Hochstimmung“
b) „einzelne glückliche Situation; glückliches Ereignis, Erlebnis“
Doch was genau ist Glück wirklich, abgesehen von einem Eintrag im Duden?
Mit dieser Frage beschäftigten sich schon die Philosophen in der Antike, wie beispielsweise Platon oder Aristoteles.
Laut Platon liegt Glück in einem Gleichgewicht der drei Seelenteile, Vernunft, Willen und Begehren. Er beschreibt die „Eudaimonie“, zu Deutsch oft „Glück“ oder „Glückseligkeit“, als Zustand der inneren Ausgeglichenheit, der sich durch eine ethisch korrekte Lebensführung einstellt.

Aristoteles sieht das Glück als höchstes Ziel der Menschen, welches durch Selbstverwirklichung erreicht werden kann. Die Eudaimonie ist für ihn ein Lebensstil, sich bestmöglich zu entfalten und zu vollenden. Glück war für ihn also nicht das Befriedigen der Bedürfnisse, sondern ein Lebenszustand, den der Mensch dadurch erreicht, dass er vernünftig handelt und sich seinem Wesen nach entwickelt. Aber auch andere Güter wie zum Beispiel Reichtum oder Freundschaft sind laut Aristoteles notwendig, um die „Eudaimonie“ zu erreichen.
Auch die Philosophen der Moderne versuchten, für sich das Glück zu definieren. Nietzsche zum Beispiel steht dem Glück im Vergleich zu Aristoteles kritisch gegenüber. Er ist der Meinung, dass nicht das Glück das höchste Ziel der Menschen ist, sondern die Macht. Glück sei demnach nur eine Reaktion auf das Erlangen dieser („Trachte ich denn nach Glücke? Ich trachte nach meinem Werke“ – Nietzsche)2. Heute sind im allgemeinen Sprachgebrauch unter den Begriff „Glück“ meist unsere positiven Emotionen so wie das Ausbleiben von physischen und psychischen Schmerzen und die Deckung unserer Grundbedürfnisse zusammengefasst.
Ist es nun legitim, einen anderen Menschen zu seinem Glück zu zwingen?
Für Aristoteles war das Glück das höchste Gut, das ein Mensch erlangen kann.

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Felix Strobel  |  Stand: 19.11.2023