Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen

Miteinander.  Zukunft.  Bilden.

Wer bin ich?

Von Oleksandra Samokhina

Kennt ihr das, wenn sich tausende und abertausende
Fakten, Details und Fragen wie eine Windrose
in eurem Kopf drehen, eure Gedanken zu definieren scheinen,
und doch - wenn euch jemand danach fragt – habt ihr nichts zu sagen?


Das Volumen und die Schwere dieser Gedankenfäden
ist so miteinander verstrickt, dass ihr keinen einzelnen rausziehen
könnt, ohne die anderen in leichte Bewegung zu versetzen.


Manchmal spüre ich dieses aufkommende Gefühl,
das mir Beschränktheit und Unwissenheit einflüstert,
während mich jemand fragt wer ich bin.


Es lässt euch im Dunkeln tappen, während ihr auf Anderes zurückgreifen müsst.
Also fangt ihr an bei den erlernten Fakten.


Am wichtigsten erscheint der Name, der für euch ausgewählt wurde,
denn so gibt man euch eine Basis.
Eine Benennung.


Ihr zählt auf wie lange ihr auf dieser Welt verbliebt
und somit die Anzahl der Schritte, die ihr hinter euch habt.
Eine Zahl.


Als nächstes spielt ihr eure Biographie im Hinterkopf ab,
um die Tätigkeit, die am meisten Zeit eingenommen hat, zu benennen.
Eine temporäre Beschäftigung.


Währenddessen pochen in eurem Kopf Erfahrungen und unerfahrene Erfahrungen.


Doch wie sehr ich mir auch wünsche mein fragiles Gedankennetz
zu lösen und es mit anderen zu teilen,
so lässt mein guter, alter Freund namens Zweifel es nicht zu.


Ich möchte sagen, dass ich nicht nur eine stetig wachsende Zahl bin oder eine
verbreitete Benennung darstelle, doch - wie so oft auch – höre ich diese
belanglosen Fakten sich mithilfe meiner Stimme zu einer Aussage formen.


Ich erzähle bereits geschriebene Sachbücher,
während ich darauf warte meine ungereifte Poesie zu teilen.


Wer bin ich?
Ich bin mehr als eine stetig wechselnde Hülle,
mehr als meine vorbestimmten Handlungen,
mehr als Worte es je beschreiben könnten.
Denn der Geist lässt sich nicht durch Benennung einschränken.


Meine Gedanken bewegen sich schneller,
als ich sie fassen kann, und meine Vorstellung
übertrifft alle Grenzen des Materiellen.


Wir sollten uns nicht in Rahmen quetschen, die zu eng für unser Bewusstsein sind.
Wir sind nicht Buchstaben, Zahlen, Zeichen, oder Tätigkeiten.
Wir sind ein wechselnder, wachsender Sturm, den Gedankenvögel in uns auslösen.

Wir sind undefinierbar.


Ich bin undefinierbar.


  |  Stand: 19.02.2018